Turniere im Mittelalter
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Turniere im Mittelalter
Anlässe des Turniers
Als Berufskrieger musste sich der Ritter ständig im Umgang mit den Waffen üben: Speerwerfen, Ringen, Springen, Wettlauf, Bogenschießen und Steinstoßen. Vor allem ließ er keine Gelegenheit aus, den Schwertkampf und den Stoß mit der Lanze zu trainieren. Natürlich wollte er seine Kräfte auch mit fremden Rittern und unter kriegsähnlichen Bedingungen erproben. Hierfür bot das Turnier ausreichend Gelegenheit, denn es war der ideale Ort zur Vorbereitung auf den Ernstfall.
Turniere waren aber nicht nur kämpferische Spiele, sie konnten durchaus fehdeähnlichen Charakter annehmen, wenn dort zwei Erzfeinde aufeinander trafen und die Klingen kreuzten. Dann konnte es ernst werden, doch anders als in der Fehde eskalierten die Kämpfe im Rahmen des Turniers in der Regel nicht.
Natürlich konnten manchmal Feindseligkeiten unter den Rittern nicht im Zaum gehalten werden. Bei einem Turnier, das Graf Johann von Katzenelnbogen im Jahr 1403 in Darmstadt veranstaltete, kam es zu einer ernsthaften Auseinandersetzung zwischen fränkischen und hessischen Rittern: 17 fränkische und neun hessische Adlige mussten auf dem Turnierfeld ihr Leben lassen.
Die einzelnen Kampfdisziplinen waren strengen Regeln unterworfen und die Art der Waffen für jeden Wettkampf vorgeschrieben. Auch wenn Feindschaft zwischen den kämpfenden Parteien herrschen mochte, blieb der "Turnierkrieg" begrenzt und ein sportlicher Wettkampf in Friedenszeiten, denn es war nicht erlaubt, einen Gegner vorsätzlich zu töten.
Als Herzog Leopold von Österreich im Jahr 1224 den Streit zwischen zwei Familien schlichten wollte und zu einem Sühnetag nach Freisach einlud, nutzte die Partei der Lichtensteiner das Treffen, um ihre Kontrahenten zu Zweikämpfen (Tjoste) in der Nähe der Stadt aufzufordern. Alle Ritter eilten auf das Kampffeld und vergaßen tagelang die Verhandlungsgespräche. Dem Herzog blieb nichts anderes übrig, als selbst ein großes Turnier zu organisieren, um allen Versammelten Gelegenheit zu geben, ihre Kampflust auszutoben.
Wurde ein Ritter besiegt, durfte er für diese Niederlage keine Rache nehmen. Mit dem Turnierende und der Ausrufung des Turniersiegers mussten alle Feindseligkeiten eingestellt werden.
Grundsätzlich wurden zu jedem bedeutenden Fest des Adels Turniere veranstaltet. Solche Anlässe waren etwa hohe Feiertage, Familienfeste, Hochzeiten, Hoher Besuch, Schwertleite und Reichs- oder Lehnstage. Die Turnierveranstalter nutzten solche Gelegenheiten, um ihren Reichtum und ihre Macht herauszustreichen. Sie scheuten weder Kosten noch Mühen, um die Veranstaltung zu einem vollen Erfolg werden zu lassen und stifteten attraktive Siegespreise, um die Kämpfer zu motivieren. Die Teilnahme von berühmten Kämpfern, die Anwesenheit hoher Persönlichkeiten und der vielen anderen Schaulustigen sollte Aufsehen erregen und ihren Ruhm mehren. Festliche Turniere wurden von den Dichtern besungen, im Heldenepos beschrieben und die Kampfszenen immer wieder von Künstlern dargestellt.
Kleine und große Turniere
Die zahlreichen kleinen Turniere, bei denen sich die Ritter im Buhurt oder in der Tjost auf den Burghöfen oder vor der Ritterburg maßen, waren ein fester Bestandteil des ritterlichen Lebens, haben aber nur ganz selten Eingang in die Quellen gefunden.
Im 12.Jahrhundert ist im Deutschen Reich nur ein kleines Ritterturnier auf einer Burg erwähnt, das um 1150 bei der Burg Jülich stattfand. Die vielen ritterlichen Kämpfe, bei denen zwei Streithähne im Tjost oder mehrere Ritter herausfinden wollten, wer der Stärkste sei, konnten auf jedem Burghof und jedem Feldweg ausgetragen werden. Doch solche Kämpfe darf man streng genommen nicht als Turnier bezeichnen, da ihnen typische Merkmale des ritualisierten Turniers fehlten, wie z.B. offizielle Einladung, Turnierleitung, Siegespreis u.ä.
Dagegen werden die großen höfischen Turniere wesentlich häufiger in den Chroniken, Briefen und Urkunden genannt. Solche Großveranstaltungen fanden nicht auf den kleinen Burgen, sondern in der Nähe der großen Residenzen des Hochadels oder am Hofe des Königs statt, d.h. in der Nähe einer Stadt.
In Deutschen Landen waren dies vor allem die Höfe der Babenberger, der Herzöge von Bayern, der Pfalzgrafen bei Rhein, der Landgrafen von Thüringen, der Markgrafen von Meißen, der Welfen in Braunschweig, der Grafen von Henneberg und Flandern, von Holland und Katzenelnbogen.
Nur die Stadt bot genügend Unterkünfte für die vielen Gäste und Turnierteilnehmer und eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs. Auch für das Turnierfeld, das so groß wie ein Fußballplatz sein konnte, war meist nur im städtischen Umfeld genügend Raum vorhanden. Zuweilen spielten sich die Wettkämpfe auf einem großen Marktplatz o.ä. ab, meistens aber auf einem ebenen Feld vor den Toren der Stadt.
Eine solche Großveranstaltung stellte eine gewaltige Herausforderung hinsichtlich der Organisation für die Verantwortlichen dar. Zahlreiche Hilfskräfte waren im Einsatz, um das Kampffeld zu planieren, mit Sand oder Stroh auszulegen, die Umfriedung und die Kampfschranken zu errichten sowie die Zuschauertribünen für den Adel aufzustellen. Daneben wurden Ordnungskräfte angeworben, um die Sicherheit der Teilnehmer zu gewährleisten, denn Diebstähle, Schlägereien, Nötigungen, Überfälle u.ä. gehörten auch damals zu den unangenehmen Begleiterscheinungen einer solchen Massenveranstaltung. Finanziert wurden die beträchtlichen Ausgaben des Veranstalters wenigstens zum Teil über Eintrittsgelder. Die Zeche zahlte allerdings der kleine Mann, der seinen "Stehplatz" bezahlen musste, während der Adel in der Regel freien Zutritt zu den Tribünen hatte.
Auf dem Regensburger Turnier zahlte man im Jahr 1487 auf den Stehplätzen zwei bzw. fünf Kreuzer. Dem Adel standen nicht nur die Tribünen kostenlos zur Verfügung, man traf sich auch im Untergeschoß in einer Art "VIP-Raum", der ganz "dem adel von frauen und mannen" vorbehalten war.
Am Hof wandelte sich der Charakter des Turniers. Das ursprünglich zur Einübung des Kriegshandwerkes dienende Waffenspiel wurde zu einem höfischen Spektakel, bei dem man kämpferischen Ruhm beim fachkundigen Publikum, Anerkennung bei den Standesgenossen und Bewunderung bei den Frauen ernten konnte. Festliche Bankette und Tanzveranstaltungen bildeten einen würdigen höfischen Rahmen.
Zuschauer und Kämpfer
Die bedeutenden Turniere waren Kampfspiel, Sportveranstaltung, höfisches Ereignis und Volksfest in einem; sie konnten mehrere Tage dauern und große Menschenmengen anziehen. Der Adel erschien mit der ganzen Familie und großem Gefolge. Für ihn bedeutete das Turnier eine willkommene Gelegenheit, befreundete Familien zu treffen und neue Kontakte zu knüpfen, denn viele Edelleute saßen relativ isoliert auf ihren entlegenen Burgen und kannten ihre Nachbarn kaum. Das Turnier war ein gesellschaftliches Ereignis, bei dem man Freundschaften schließen, Streitigkeiten begraben und Heiratsabsprachen treffen konnte. (Kriegerische Leistungen spielten für die fürstliche Heiratspolitik eine ausschlaggebende Rolle. Mutige und kampfgewaltige Ritter standen als Schwiegersöhne besonders hoch im Kurs.)
Die ortsansässigen Bewohner strömten zum Turnierplatz und feuerten ihre Favoriten an. Hinzu gesellten sich zahlreiche auswärtige Schaulustige, die teilweise schon Tage vor Turnierbeginn anreisten. Die zahlreichen Besucher bedeuteten für die Bevölkerung des Turnierortes eine einträgliche Einnahmequelle. Die Händler, Gastwirte und Handwerker hatten alle Hände voll zu tun, um allen Wünschen nachzukommen. Spielleute, Narren und Gaukler, die auf keinem mittelalterlichen Fest fehlen durften, trieben ihre Späße und zeigten ihr Können.
Frauen auf Turnieren
Von Anfang an spielten die Frauen bei den Turnieren eine wichtige Rolle. Für die adligen Damen war das Turnier eine Möglichkeit, sich zu zeigen und gleichzeitig selbst gesehen zu werden. Ihre Anwesenheit hatte darüber hinaus eine stimulierende sowie zivilisierende Wirkung auf die Kämpfer, denn sie spornte einerseits den Kampfgeist der Ritter an und andererseits hielt sie die Kämpfer an, ein ritterliches Verhalten an den Tag zu legen. Ihre Kühnheit und Ritterlichkeit verfehlten aber auch bei den Damen ihre Wirkung nicht. So wohnten diesem Wechselspiel stark erotische Reize inne, denen - so berichten zumindest die Chronisten - zuweilen auch nachgegeben wurde.
Der gelebten Liebe stand die höfische Minne gegenüber. Die ritterliche Verehrung für die Frau war ein wesentlicher Bestandteil des Turniers. Einige Ritter erwählten eine Dame und baten sie um Erlaubnis, ihr zu Ehren "turnieren" zu dürfen. Akzeptierte die Dame, überreichte sie dem Ritter als Pfand und Zeichen seines Minnedienstes ein Hals- oder Taschentuch, das dieser an seiner Lanze oder seinem Helm befestigte. So sehr die höfische Dichtung betont, dass diese Verehrung der (meist verheirateten) Dame dem hohen Ziel der ritterlichen und damit keuschen Minne verpflichtet war, wohnte dieser Sitte jedoch auch ein erotisches Moment inne.
Die Turnierteilnehmer
Am Turnier durften nur solche Adlige teilnehmen, die zum Ritter geschlagen waren oder einen ritterlichen Lebensstil pflegten. Diese Abgrenzung richtete sich vor allem gegen Stadtbewohner und Handeltreibende, die, auch wenn sie (nieder-)adliger Herkunft waren, im Allgemeinen nicht an den Ritterturnieren teilnehmen durften. Den Bauern war das Tragen von ritterlichen Waffen ohnehin untersagt und generell auch die Teilnahme am Ritterturnier. Unehrenhafte Ritter, die eines Verbrechens beschuldigt wurden, und nicht standesgemäß verheiratete Ritter waren vom Turnier ausgeschlossen.
Zahlreiche adlige Ritter nutzten jede Gelegenheit, um an Turnieren teilzunehmen und dort ihre Reit- und Kampfkünste zu zeigen. Verhielten sie sich zudem noch besonders ritterlich, war ihnen Ruhm und Ehre sowie die Bewunderung von Frauen gewiß. Vor allem die Jungritter unternahmen im Anschluss an ihre Schwertleite regelrechte Turnierfahrten, um sich einen Namen zu machen und ihre Ritterlichkeit unter Beweis zu stellen.
Einige Ritter nahmen bis ins hohe Alter an den Wettkämpfen teil. Der älteste bekannte Turnierteilnehmer war ein Ministeriale namens Otto von Haslau, der 1278/1280 als Achtzigjähriger in die Turnierbahn ritt.
Viele Ritter betrieben den Turniersport als Broterwerb. Sie stürzten sich entschlossen in den Kampf, um die zu gewinnenden Preise in Form von Rüstungen, Pferden und Siegesprämien einzuheimsen.
Wie viele Kämpfer an den Turnieren beteiligt waren, hing ganz von der Größe und Art der Veranstaltung ab. Während auf den kleinen Turnieren nur eine Handvoll Ritter bei Tjost und Stechen gegeneinander antraten (Am 25. und 26. Mai 1434 beteiligten sich in Nürnberg 12 Ritter mit scharfen Waffen an einer Tjost), konnten bei den großen höfischen Turnieren hundert und mehr Ritter aufeinander treffen.
Herzog Leopold von Österreich trat im Jahr 1223 in Friesach mit 9 Fürsten und 397 Rittern an. Auf dem Turnier, das Herr Ulrich von Lichtenstein am 31.5.1227 in Neunburg veranstaltete, nahmen 250 Ritter teil. Die Limburger Chronik erwähnt im Jahr 1360 sogar 1.000 Helme, d.h. ritterliche Kämpfer, bei einem Turnier in Nürnberg. In derselben Stadt kamen Ende August des Jahres 1408 insgesamt 352 Helme, davon 60 Ritter, zusammen. In seinem berühmten Buch "Turnier von Nantheiz (Nantes)" berichtet der Dichter Konrad von Würzburg (gest. 1289) von 4.000 Rittern, in seinem Stück "Engelhard" von 2.000 Rittern, die an einem Turnier teilgenommen haben sollen.
Edelknappen
Mit dem Begriff Knappe bezeichnet man sowohl die nicht adligen Diener (Knechte) der Ritter als auch solche jungen adligen Männer, die von einem Ritter im Rahmen ihrer Erziehung ausgebildet wurden und ihn auch zu den Turnieren begleiteten. Diese Edelknappen nutzten solche Gelegenheiten, um sich mit Edelknappen anderer Ritter im Bogenschießen, Axt- und Spießwerfen zu messen. Beliebt war auch die Einübung des Lanzengebrauchs. Dieses Stechen wurde mit Hilfe einer Puppe trainiert, die in der einen seitlich ausgestreckten Hand einen Schild und in der anderen ebenfalls ausgestreckten Hand einen Streitkolben hielt. Diese Puppe war drehbar auf einem Holzklotz montiert. Indem der Reiter den Schild der Puppe mit seinem Lanzenstoß traf, drehte sich die Stechpuppe und drohte, dem Knappen den Streitkolben in den Rücken zu schlagen. Der Reiter musste schnell und geschickt sein, um diesem Schlag zu entgehen. Die Knappen und die Edelknappen spielten bei dem Turnei genannten Massenkampf eine wichtige Rolle.
Wie es auf einem Turnier zuging
Die Einladung zu den Turnieren wurde grundsätzlich vom Turnierveranstalter, dem König oder einem angesehenen Adligen, ausgesprochen. Er schickte Boten aus, um Ort, Termin, die ausgesetzten Preise und die Höhe des Lösegeldes, das man von "gefangenen" Gegnern fordern durfte, bekannt zu geben. Für die Dauer der Veranstaltung herrschte eine allgemeine Friedenspflicht, dies war eine der Grundvoraussetzungen des Turniers. Niemand, der an einem Turnier teilnahm, durfte wegen irgendwelcher Anschuldigungen oder Streitigkeiten belangt werden. Den Teilnehmern wurde grundsätzlich freies Geleit zugesichert, d.h. sie konnten ungehindert anreisen, turnieren und danach wieder von dannen ziehen.
Zulassung zum Turnier
Bevor die Ritter zum Turnier zugelassen wurden, mussten sie ihre Turnierhelme samt der Helmzier und ihre Turnierwaffen zur Begutachtung vorlegen. Es wurde geprüft, ob die scharfen Schwerter nicht zu schmal und die für manche Kämpfe vorgeschriebenen stumpfen Waffen auch wirklich turniertauglich waren. Als das bis dahin relativ freie Wappenwesen im 13. Jahrhundert strenger geregelt wurde, nahmen die Herolde auch eine Wappenschau vor.
Seit dem 12. Jahrhundert sind die Herolde als Experten der Wappenkunde belegt. Bei Turnieren waren sie für die Musterung der Ritterhelme, ihrer Wappen und Waffen zuständig, während sie bei den Wettkämpfen selbst als Beobachter und Sachverständige fungierten. Außerdem hatten die Herolde bei den Feldzügen ihrer Herren die Aufgabe, Buch über die zum Kriegsdienst verpflichteten Ritter (Heerfolgepflicht der Lehnsleute) zu führen, ihre Heldentaten zu protokollieren und die Namen der gefallenen Ritter zu registrieren. Die Herolde gehörten später auch zu den Verfassern der Wappenrollen und Turnierbücher.
Sie kontrollierten, ob das Adelswappen auf dem Schild, dem Waffenrock und der Pferdedecke rechtmäßig war. Wer diese Prüfung nicht bestand, durfte am Turnier nicht teilnehmen. In dieser Zeit kam noch die sog. Ahnenprobe hinzu. Von den Turnierbewerbern wurde der Nachweis gefordert, dass sie seit mehreren Generationen dem Adel angehörten. Der geforderte Stammbaum konnte vier und mehr Generationen sowohl in der väterlicher als auch der mütterlichen Erblinie umfassen.
Verfahren zum Nachweis der Adelsqualität sind seit dem 13. Jahrhundert bekannt. Ahnenproben waren zunächst wichtig für Lehens- und Erbfragen, das Beweisrecht im gerichtlichen Zweikampf, die Aufnahme in adlige Domkapitel usw. Im Spätmittelalter bürgerte sich der Rechtsbrauch ein, auch die Zulassung zu Ritterturnieren, die Mitgliedschaften in Rittergesellschaften usw. von Ahnenproben abhängig zu machen.
Außerdem musste der Bewerber nachweisen, dass er selbst oder seine Vorfahren innerhalb der letzten fünfzig Jahre regelmäßig an Turnieren teilgenommen hatten. Hinter Wappenschau und Ahnenprobe stand der Wunsch des "alten" Ritteradels, die "neuen" Ritter, durch königliche Standeserhebung aufgestiegene Stadtbewohner und Kaufleute (sog. Briefadel), vom Turnier fernzuhalten. Obwohl diese ritterähnlich lebten und über vollständige Turnierharnische verfügten, waren sie als Emporkömmlinge beim Altadel nicht gut angesehen. Man wollte verhindern, dass Neuritter in den Stand der Altritter aufstiegen (Abschließung des Ritterstandes). Als Kaiser Karl IV. (1346-1378) immer häufiger reiche Bürger zu Rittern schlug, erließen die Alt-Ritter zusätzlich Turnierordnungen, um auf diese Weise die Städter von ihren Turnieren auszuschließen.
Die Turnierordnung von Würzburg beispielsweise schloß 1479 alle aus, "die von adl kauffmanschaft treiben als ander kauffleuth, die nit von dem adl seindt" und in der Heidelberger Turnierordnung von 1481 heißt es sogar, "es soll auch keiner, der in den städten gebürgert ist, zum thurnier zugelassen werden." Die Heilbronner Turnierordnung von 1485 legte dann endgültig fest "Wer aus freien Stücken in einer Stadt wohnt, dort Steuern zahlt und Wache hält, darf nicht zum Turnier zugelassen werden.
Die Wettkämpfe
Auf den Ritterturnieren wurde in verschiedenen Disziplinen, Mann gegen Mann oder in Gruppen, gekämpft. Zu den grundlegenden Kampfarten gehörten der Buhurt, die Tjost und der Turnei. Daneben gab es einige Unterarten (Rennen, Stechen, Kolbenturnier, Fußkampf), die sich aus den drei Grundformen entwickelt hatten. Die unterschiedlichen Disziplinen konnten einzeln nacheinander stattfinden, es gab aber auch Turniere, bei denen nur eine Kampfart ausgetragen wurde.
Schaukampf - Der Buhurt
Der Buhurt war weniger Kampf als vielmehr Geschicklichkeitswettbewerb zu Pferd und erfreute sich besonders in Deutschland großer Beliebtheit. Der Name Buhurt erscheint im deutschen Sprachbereich um 1150. Er setzte sich aus dem Wort "bu" (Haus, Bau, Gebäude aber auch Bestellen des Feldes) und dem Wort "hurte" (Losrennen, Stoß, Anprall) zusammen. Im Französischen wird der Buhurt als "melée" = Handgemenge bezeichnet. Mit der Entwicklung von friedlichen Formen des Turnierkampfes verwischt sich der Bedeutungsunterschied zwischen "turnei" und "buhurt", so dass das Wort "buhurt" im 14. und 15. Jahrhundert immer seltener auftritt und schließlich ganz verschwindet.
Beim Buhurt formierten sich zwei Parteien, die jeweils von einem Hauptmann kommandiert wurden. Auf ein Zeichen ritten beide Gruppen aufeinander zu, prallten spielerisch zusammen, und der Gruppenverband löste sich auf. Jetzt "kämpfte" man in Zweigruppen gegeneinander, um zu zeigen, wie man sein Pferd beherrschte, wie geschickt man es wenden, drehen und parieren konnte. Da es nicht darum ging, einen Sieg zu erringen, trugen die Reiter nur eine leichte Rüstung. In seltenen Fällen scheinen Schilde und leichte Speere erlaubt gewesen zu sein. Mit ihrer Hilfe versuchte man, den Gegner abzudrängen bzw. vom Pferd zu stoßen.
Der Buhurt, oft anlässlich eines Festes oder zu Ehren eines Gastes veranstaltet, wird in der höfischen Dichtung als Ausdruck der kriegerischen Freude geschildert. Behändes Wenden der Pferde auf engstem Raum und das laute Dröhnen von aufeinander prallenden Schilden und Speeren, dazu der Kampfruf der Beteiligten Hurta, Hurta (drauf, drauf) sollen den Reiz des Kampfspiels ausgemacht haben. Obwohl der Buhurt relativ harmlos verlief, blieben Verletzungen beim Sturz vom Pferd nicht aus. Auch Tote waren zuweilen zu beklagen.
Das Einzelstechen
Die Als Tjost bezeichnet man den Lanzenkampf von zwei Reitern in voller Rüstung. Das Wort Tjost hat sein Ursprung im lateinischen "justa", was soviel wie rd in England griff man im 13. Jahrhundert bei der Herausforderung des Gegners auf die am Hofe des sagenhaften König Artus' üblicheechtmäßiger Kampf bedeutet. Im frühen Mittelalter wurden strittige Gerichtsfälle nicht selten in einem Zweikampf entschieden. Der Ritter forderte seinen Gegner über einen Mittelsmann zum tjostieren auf: Er beauftragte entweder einen Turnierherold, oder er schickte seinen Knappen.
In Norddeutschland, den Niederlanden un Zeremonie zurück: Man berührte den am Wappenbaum hängenden Schild des Gegners mit der Lanzenspitze.
Wurde die Aufforderung angenommen, stellten sich beide Ritter zur ersten Runde des Tjostes in gewisser Entfernung zueinander in der Kampfbahn auf. Die Entfernung betrug zwischen 200 und 300 Schritten. Wer die Lanze sicher zu führen verstand, wählte einen langen Anlauf, der besonders wirkungsvoll war. Mit dem Aufkommen der schweren Ritterrüstungen wurden sicheres Reiten und Zielen mit der Lanze immer schwieriger und die Kämpfenden zogen einen kürzeren Anlauf vor.
Die Ritter setzten die Helme auf, schlossen die Visiere und sprengten mit eingelegter Lanze aufeinander zu. Die anfänglich spitzen Lanzen wurden mit der Zeit zunehmend gegen stumpfe Lanzen ausgetauscht, um die oft lebensgefährlichen Verletzungen zu vermeiden. Ziel des Zweikampfes war es nämlich, den Gegner mit der Lanze zu treffen und aus dem Sattel zu heben. Wer fiel, hatte den Kampf verloren.
Geübte Lanzenkämpfer wendeten den schwierigen Kinnstoß an. Gelang es ihnen, den Hals des Gegners zu treffen, wurde er betäubt und stürzte rückwärts vom Pferd. Einfacher war es, einen Stoß "zu den vier Nägeln" zu versuchen, d.h. auf den mit Eisenbeschlägen verstärkten Schildbuckel zu zielen. Hierbei war es besonders wichtig, eine möglichst große Stoßkraft im Moment des Aufpralls zu erreichen. Deshalb ließ man das Pferd zunächst nur galoppieren, um kurz vor dem Zusammenprall in die Karriere überzugehen, d.h. das Pferd zur schnellsten Gangart anzutreiben. Meist zersplitterte zwar die Lanze, aber der frontale Stoß fegte den Gegner dennoch aus dem Sattel.
Um den Reitern einen festeren Halt auf ihren Pferden zu geben, wurden aus diesem Grund die Sättel der Turnierpferde erhöht (Hohenzeugsattel). Es war aber verboten, sich am Pferd in irgendeiner Weise festzuschnallen, um das Herunterfallen zu verhindern.
Es gehörte zu den Turnierregeln, dass man den direkten und gefährlichen Zusammenprall mit dem Gegner und seinem Ross vermied und nach dem Lanzenstoß das Pferd nach rechts lenkte. Das Überreiten des Gegners galt als unritterlich. Trotzdem kam es häufig zu solchen Zusammenstößen. Deshalb wurden hölzerne Barrieren, die sog. Schranken (Planken, Pallia), errichtet, welche die beiden vorpreschenden Reiter voneinander fernhielten.
Dieses "Stechen über die Planke" wurde auch als Welsches Stechen bezeichnet. Da die Lanzen jetzt nicht mehr frontal, sondern "nur" noch in einem Winkel von ca. 75 Grad den Körper des Gegners trafen, reduzierte sich die Wucht des Stoßes spürbar.
Es war auch verpönt, auf das Pferd zu zielen Da es wohl doch häufig geschah, war der Kopf des kostbaren Turnierpferdes von einer stählernen oder ledernen Rossstirn, der Brustbereich von einem speziellen Panzer, dem Fürbug, geschützt. Untersagt war es auch, dem Gegner in die Zügel oder das Zaumzeug zu greifen. Brachte ein Ritt nicht den gewünschten Erfolg, wurde ein neuer Anlauf eventuell mit einer neuen Lanze unternommen.
Ulrich von Lichtenstein soll am 1.5.1224 an einem Tag 30 Lanzen verstochen und am nächsten Tag gegen sechs Gegner nochmals 25 verbraucht haben. Von Gahmuret heißt es im Parzival, er habe an einem Tag 100 Lanzen benötigt. Viel Glauben kann man diesen Angaben nicht schenken, es handelt sich dabei wohl um eine der üblichen mittelalterlichen Übertreibungen, die dem Leser verdeutlichen sollte, dass die Kämpfer über Stunden vollen Einsatz bringen mussten.
Wenn das Stechen keinen Erfolg brachte oder beide Ritter vom Pferd gefallen waren, konnte der Kampf zu Fuß weitergehen. Dann hieb man mit Schwertern aufeinander ein, bis einer der beiden Ritter erschöpft aufgeben musste. Er verließ die Kampfbahn oder nahm den Helm ab und gab damit zu verstehen, dass er nicht weiterkämpfen wollte.
Stechen und Rennen
Im späten 14. Jahrhundert wurde die traditionelle Form des Tjostes von zwei Kampfarten abgelöst: dem sog. Stechen mit stumpfer bzw. dem Rennen mit scharfer Lanze. Das Stechen mit stumpfer Lanze entsprach am ehesten der alten Tjost. Es erfreute sich großer Beliebtheit, da es weniger anstrengend und vor allem ungefährlicher war. Das Scharfrennen stellt dagegen den Versuch dar, die Tjost wieder riskanter und spannender zu machen. Doch auch der Stoß mit scharfer Lanze war nach der Einführung des Plattenharnischs nicht unbedingt lebensgefährlich. Trotz der scharfen Waffen ging es auch hier weniger darum, den Gegner zu verletzten und vom Pferd zu stechen, sondern einen kleinen Rundschild, die sog. Renntartsche, zu treffen bzw. abzureißen. Diese bestand aus Linden- oder Birkenholz und war im Brustbereich an der Turnierrüstung befestigt.
Beim sog. Geschift-Tartschenrennen war die Tartsche so konstruiert, dass sie in mehrere Stücke zersplitterte, wenn sie von der gegnerischen Lanze getroffen wurde.
Der Turnei - Der Massenkampf
Als Krone der Waffenspiele galt der Turnei, ein Massenkampf, an dem zahlreiche Ritter teilnahmen. Die Turnierveranstalter bestimmten am Vortag des Turniers zwei Parteiführer, einen "Herausforderer" und einen "Verteidiger". Dies waren Adlige meist vornehmen Standes, die jeweils eine Schar von Rittern unter ihrer Fahne versammeln sollten.
Am Morgen des eigentlichen Turniertages ritten die Turnierrufer (Kroijiere), durch das Zeltdorf der Ritter und trommelten die Kämpfer zusammen. Dann traf man sich zu einer feierlichen Messe.
Die Kirche war eigentlich gegen diese Turniere, konnte die Beliebtheit der Turniere aber nicht einfach ignorieren, denn sie war auf die Ritter vor allem für die Kreuzzüge angewiesen. So wird vor jedem Turnier eine Messe stattgefunden haben. Vielleicht nutzten die Priester die Gelegenheit, um den turnierenden Rittern ins Gewissen zu reden.
Im Anschluss daran ritt man zum Turnierfeld. Die Kroijiere stellten den vornehmen Damen und Herren auf den Tribünen und dem anderen Publikum rund um das Turnierfeld die einzelnen Teilnehmer vor. Man lobte und pries ihre Namen und würdigte das von ihnen geführte Wappen.
Die zum Turnier zugelassenen Ritter wurden durch einen einfaches Wahl- bzw. Losverfahren auf die beiden Anführer verteilt und stellten sich unter seiner Fahne auf beiden Seiten des abgesteckten Turnierfeldes einander gegenüber auf. Die Herolde verkündeten die Turnierregeln und geboten den Zuschauern bei Androhung schwerster Strafen, sich nicht in die Kämpfe einzumischen. Gelegentlich eröffnete eine Tjost der beiden Anführer der Turnei. Meistens begann der Turnei aber mit dem Lanzenkampf.
Lanzenkampf
Der erste Teil des Turneis bestand aus einer Art Gruppen-Tjost. Einige gepanzerte Reiter aus jeder Gruppe stellten sich, nur mit der Stoßlanze bewaffnet, einander gegenüber auf. Dann gaben die Trompeter das Zeichen zum Kampf und beide Gruppen sprengten geschlossen mit eingelegter Lanze aufeinander los. Wie bei der Tjost barsten die Lanzen und die ersten Reiter fielen aus dem Sattel. In den Jubel der Zuschauer mischten sich die ersten Schmerzensschreie. Die Knappen und Knechte eilten herbei, räumten die gebrochenen Lanzen fort und trugen Verwundete hinaus.
Die im Sattel gebliebenen Reiter waren aneinander vorbei geritten und befanden sich jetzt auf der "Seite der Gegner". Waren ihre Lanzen zersplittert, standen sie wehrlos da. Sie mussten ihre Pferde wenden und versuchen, an den gegnerischen Reitern und Knappen vorbei, wieder auf ihre eigene Seite zu gelangen. Bei diesem Manöver konnten sie eingekreist und gefangen genommen werden. Wer glücklich auf seiner Seite ankam, war in Sicherheit und durfte sich ausruhen. Wer noch im Besitz seiner Lanze war, versuchte, egal wo er sich befand, mit einem neuen Anlauf einen wehrfähigen Gegner aus dem Sattel zu stechen bzw. wehrlose Ritter gefangen zu nehmen.
Der variationsreiche Lanzenkampf im Turnei unterschied sich von dem des einfachen Tjostes. Denn Lanzenführung, Deckung des Reiters und Führung des Pferdes waren verschieden, je nachdem, ob man den Gegner in der Gruppe nach einem längeren Anlauf angriff (Stich zem puneiz), von der Seite anfiel (Stich ze triviers, à travers) oder ihn gar verfolgte (Stich zer volge). Es machte auch einen Unterschied, ob man mit einem kurzen Anritt (Stich z'entmouten) oder mit weitem Anlauf (Stich ze rehter tjost) auf den Gegner lospreschte.
Eine Gefangennahme drohte vor allem den vom Pferd gefallenen Herren, wenn es ihren Knappen (Kipper) nicht gelang, sie rechtzeitig vom Turnierfeld zu schaffen. Der erste Waffengang war vorüber, wenn eine Gruppe keinen wehrfähigen Ritter mehr im Sattel hatte.
Danach setzten andere Ritter beider Gruppen den Lanzenkampf solange fort, bis die Schar der Gegner durch Gefangennahme Einzelner so geschwächt war, dass sie aufgeben musste oder ein Trompetensignal der Turnierleitung den ersten Teil des Turneis beendete. Diese Lanzenkämpfe konnten viele Stunden dauern, da es den Rittern erlaubt war, das Pferd und die Lanze zu wechseln sowie sich selbst zu erfrischen. Sie durften das Turnierfeld verlassen und sich im Schatten eines Baumes ausruhen, mussten aber in Sichtweite bleiben. Hatten sie ein paar Augenblicke verschnauft, konnten sie sich mit neuer Energie in das Kampfgetümmel. stürzen.
Schwertkampf
Im zweiten Teil des Turneis wurde mit dem Schwert gekämpft. Die Scharen ordneten sich, die Knappen legten ihren Rittern das meist stumpfe Turnierschwert in die Hand und jetzt sprengten alle aus beiden Gruppen aufeinander los. Der Schwertkampf galt bei Rittern, die im Zeichen der Ehre oder der Minne kämpften, als wenig ehrenhaft und wurde bei manchen Turnieren ausgelassen. Doch neben diesen "edlen" Rittern kämpften auch hart gesottene Haudegen, die ganz auf ihr Schwert und die Stärke ihrer Pferde vertrauten und nur wegen der Beute in den Turnei zogen. Sie versuchten mit allen Mitteln, den Gegner kampfunfähig zu machen, seinen Schild in Stücke zu hauen, ihm das Schwert aus der Hand zu winden, ihn mit Hieben auf den Helm zu betäuben, den Helm vom Kopf zu schlagen oder die Zügel aus der Hand zu reißen. Mit Hilfe der Knappen wurde der Wehrlose umzingelt, von seinen Mitstreitern getrennt und vom Sieger am Zaum fortgezerrt. Wer so "gezäumt" war, der wurde, wie vornehm er auch sein mochte, vom Sieger und dessen Knappen nicht mit Samthandschuhen angefasst. Die Knappen, die innerhalb der Schranken einen Knüppel mit sich führen durften, hatten das ausdrückliche Recht, den Gezäumten auf seinem Pferd mit Knüppelhieben vom Turnierfeld zum Zelt ihres Herrn zu treiben. Die Freunde des Gezäumten konnten innerhalb der Schranken versuchen, ihn aus der schmählichen Lage zu befreien. Um die Gefangenen entbrannte, so ist dies auf zeitgenössischen Turnierdarstellungen zu sehen, ein erbittertes Ringen, Drängen und Schieben.
Erst seit dem 15. Jahrhundert begann die Turnierbuchliteratur aufzublühen. Berühmte Turnierbücher des 16. Jahrhunderts sind etwa das Augsburger Turnierbuch (1518), das "Handbuch eines christlichen Ritters" von Erasmus von Rotterdam (1520), das Rüxnersche Turnierbuch (1530) und das Turnierbuch Herzog Wilhelms IV. von Bayern (1541).
Gefangennahme und Lösegeld
Wer beim Turnei in Gefangenschaft geriet, musste dem Sieger "Sicherheit geben", d.h. er hatte ihm in der Regel Pferd und Rüstung auszuhändigen oder schuldete ihm einen entsprechenden Geldbetrag, mit dem er sich auslösen konnte. Da viele Ritter, die Ross und Rüstung verloren hatten, nicht genügend Geld besaßen, um die teuren Rittersachen zu ersetzen, ging man dazu über, bereits vor Turnierbeginn eine angemessene Summe festzulegen, mit der sie sich freikaufen konnten.
Vornehme, auf Ruhm und Ehre bedachte Ritter ließen ihre Gefangenen großmütig frei oder verschenkten die erzielten Lösegelder an Bedürftige. Weniger edelmütige Ritter betrachteten Turniere vornehmlich als Einkommensquelle. Sie zogen von Turnier zu Turnier, nahmen möglichst viele Gefangene und gelangten mit Hilfe der Lösegelder bzw. des Verkaufs der erbeuteten Rüstungen und Pferde zu teilweise beachtlichem Reichtum.
Der berühmte "Turnierprofi" Ritter William Marshall soll im 13. Jahrhundert im Verlauf von zwei Jahren 103 Ritter gefangen genommen haben. Vom Reichsmarschall William von Pembroke wird berichtet, er habe während der Jugendzeit des späteren englischen Königs Henry III. (1216-1272) mit Lösegeldern beträchtliche Summen erzielt.
Kolbenturnier
Seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts konnten besonders im Rahmen eines Vorturniers auch andere Gruppenkämpfe, sog Kolbenturniere veranstaltet werden. Auch hier standen sich zwei verschiedene Parteien auf dem Turnierfeld gegenüber. Es war das Ziel der Reiter, die Helmzier ihrer Gegner mit einem Kolben oder einem stumpfen Schwert abzuschlagen. Die Kolben waren kurze Eisenstangen. Sie durften an der Spitze nur daumendick sein und anders als der normale Streitkolben keine spitzen Nägel aufweisen. Die Kolben waren meist mit einer Kette am Brustharnisch befestigt. Kolbenturniere konnten mehrere Stunden dauern. Wer sich auf dem Turnierfeld zu einer unritterlichen Handlung hinreißen ließ, oder trotz nicht bestandener Helmschau einfach am Turnier teilnahm, durfte ungeachtet seiner gesellschaftlichen Stellung verprügelt werden " bis ihm der Harnisch vom Leib fiel". Dann setzte man den Übeltäter mitsamt seinem Sattel auf die Schranken, wo er zur Strafe bis zum Ende des Turniers sitzen bleiben musste. Sein Schwert und seine Rüstung fielen den Herolden bzw. den Turnierknechten zu.
Weitere Turnierarten
Eine Variante des Gruppenkampfes bestand im 15. Jahrhundert darin, dass zwei etwa gleich große Gruppen zu Fuß mit langen zweischneidigen Schwertern gegeneinander um die Beherrschung des Kampfplatzes stritten. Bei diesen wohl wenig "ritterlichen" Kämpfen kam es vor allem auf den körperlichen Einsatz und weniger auf Geschicklichkeit an.
Zur Zeit Kaiser Maximilians I. (1486-1519) gab es eine Vielzahl verschiedener Wettkampfarten. In "Freidals Turnierbuch" werden die einzelnen Gattungen genannt. Man unterschied deutsche Gestech, Rennen fest angezogen, Rennen unter dem Bund, Geschifftrennen, Geschweiftrennen, Feld- und Kampfrennen, welsches Gestech und Kampf (zu Fuß).
Ende des Kampfes und Siegerehrung
Die Herolde ließen das Ende des Turniers mit Fanfarenstößen verkünden. Die Kampfrichter, meist hohe Herren und alte, erfahrene Recken, hatten den ganzen Tag die Kämpfenden beobachtet und Punkte verteilt. Turniersieger wurde, wer beim Lanzenkampf bzw. Schwertkampf die meisten "Feinde" vom Pferd geholt und die meisten "Gefangenen" gemacht hatte. Der Turniersieger erschien vor der Haupttribüne, wo ihm wahrscheinlich eine edle Dame unter großem Beifall den Siegeskranz aufs Haupt setzte. Der Wert des Siegespreises entsprach der Freigebigkeit des Turnierveranstalters. Der wahre Ritter kämpfte ohnehin durch die vrouwen [und] durch ere, und nicht umbe guot. Doch neben der Bewunderung der Frauen und dem gewonnen Ansehen werden die Sieger auch Sachpreise in Form einer Geldprämie, eines Goldstückes, eines Jagdfalken, eines Windhundes, eines Pferdes o.ä. nicht verschmäht haben. Den Turniertag beschloss gewöhnlich ein festliches Bankett im Burgpalas oder im Rathaussaal. Nach dem Essen wurde bis tief in die Nacht gefeiert, getrunken und getanzt.
Turnierverbote
Die Kirche war ein entschiedener Gegner der Turniere. Sie warf den Turnierteilnehmern eitle Selbstdarstellung vor und rügte vor allem die mit dem Turnier verbundenen Vergnügungen und Belustigungen. Auch die Verehrung einer verheirateten Frau im Rahmen der ritterlichen Minne war der Kirche äußerst verdächtig. Neben etwaigen moralischen Bedenken, äußerte sie auch Kritik an der hohen Zahl der Toten. Während der "gerechte Krieg" der Kreuzritter gegen "die Ungläubigen" selbstverständlich Unterstützung genoss, wurde das Töten unter den christlichen Rittern von der Kirche geächtet. Papst Innozenz II. (1130-1143) untersagte auf dem 2. Konzil von Clermont im Jahr 1130 "die Abhaltung jener abscheulichen Märkte oder Jahrmärkte, auf denen die Ritter sich nach ihrer Gewohnheit zusammenfinden, um ihre Kräfte und ihre Kühnheit zu messen, was oft zum Tode von Männern und zu großer Gefahr für die Seelen führt". Derjenige Ritter, der bei einem Turnier sein Leben verlor, habe zwar Anspruch auf die Tröstungen der Kirche, solle aber nicht in geweihter Erde begraben werden. Obwohl auch spätere Konzilien (1139, 1179 und 1193) die Turniere kritisierten und warnten, dass der während eines Turniers getötete Ritter die ewige Seligkeit verlöre, zeigten die kirchlichen Drohungen kaum Wirkung. Die Turnierleidenschaft der Fürsten und Ritter und ihre Freude an festlichem Gepränge waren stärker als alle Verbote. Papst Gregor X. forderte König Rudolf von Habsburg im Jahr 1275 auf, die Turniere im Reich zu verbieten. Dieser war jedoch selbst ein großer Anhänger des Turniers und trat mehrmals persönlich zum tjostieren an. Die Kirche konnte auf der anderen Seite ihre Strafandrohungen nicht in die Tat umsetzen, weil eine massenhafte Exkommunizierung die Ritterschaft derart dezimiert hätte, dass den Kreuzzugsheeren die Kämpfer ausgegangen wären. Im Jahr 1316 resignierte die Kirche und Papst Johannes XXII. (1316-1334) hob das kirchliche Turnierverbot wieder auf.
Tote und Verletzte
Trotz aller Turnierregeln waren die Kämpfe gefährlich. Die stumpfen Lanzen oder Schwerter konnten, wenn sie unglücklich trafen, den Gegner schwer verletzen oder gar töten. Blaue Flecke, Blutergüsse, Prellungen und Brüche waren an der Tagesordnung. Die meisten Ritter kamen aber zu Schaden, weil sie vom Pferd stürzten, im Getümmel von Pferdehufen zertrampelt wurden oder im Staubwirbel unter ihren geschlossenen Helmen erstickten. Über die Zahl der Toten lassen sich nur Mutmaßungen anstellen. Die Chroniken konzentrieren sich meist nur auf die vornehmen Herren, die vielen weniger prominenten Opfer bleiben unerwähnt. Die Todesliste der im Turnier getöteten hochgestellten Herren ist lang, hier nur ein paar Beispiele:
Jahr Ereignis
1095 Bereits beim ersten historisch bezeugten Turnier in Flandern war ein Todesopfer zu beklagen: Graf Heinrich III. von Löwen starb durch einen Lanzenstoß mitten ins Herz.
1175 Graf Konrad, der Sohn des Markgrafen Dietrich von der Lausitz, wurde am 17. November bei einem Turnier durch einen Lanzenstoß getötet. "So sehr" klagte der Chronist des Klosters Montis Sereni bei Halle "hat sich dieses verderbliche Spiel bei uns eingebürgert, dass in diesem Jahr bereits sechzehn Ritter in Sachsen dabei den Tod gefunden haben."
1176 Markgraf Dietrich von Meissen kam beim Turnieren ums Leben.
1186 Geoffroi Plantagenet, der Sohn König Heinrichs II. von England, starb auf dem Turnierfeld.
1186 Ein Bruder Richard Löwenherz' fand bei einem Turnier in Paris den Tod, als er vom Pferd fiel und von einem anderen Streitross niedergetrampelt wurde.
1194 Herzog Leopold V. von Österreich stürzte beim Turnier in Graz vom Pferd. Dabei wurde ihm von anderen Pferden das Bein zerquetscht. Obwohl man es amputierte, starb der Herzog wenig später an Wundbrand.
1195 Geoffroy de Magneville, Graf von Essex, wurde 1216 Opfer seiner Turnierleidenschaft
1196 Graf Florent vom Hennegau und Graf Philipp von Boulogne starben im Verlauf eines Turniers.
1234 Der Graf Florentius von Holland verlor sein Leben bei einem Turnier in Cambrai.
1240 Bei einem Turnier in Frankreich sollen zahlreiche Ritter aufgrund der Hitze und des Staubes auf dem Turnierplatz jämmerlich erstickt sein.
1241 Gilbert von Pembroke starb während eines Turniers
1241 Bei einem Pfingstturnier in Neuss erstickten 60 Ritter aufgrund der Hitze und des Staubes auf dem Turnierplatz. Einem anderen Bericht zufolge sollen sogar hundert Personen umgekommen sein. Eine dritte Chronik berichtet, die Ritter seien plötzlich "vom Wahnsinn erfasst" übereinander hergefallen und 80 Herren hätten ein schmähliches Ende gefunden. Offensichtlich wurden sie von den Pferdehufen zerstampft.
1242 Auf dem Turnierfeld musste Johann von Brandenburg sein Leben lassen.
1279 Herr Lantfried von Landsberg erstickte während eines Turniers in Straßburg.
1290 Auf dem Turnier, das anlässlich des Nürnberger Reichstages im November veranstaltet wurde, ereilte den Herzog Ludwig II. von (Ober-)Bayern der Tod. Der Nürnberger Chronist Meisterlin berichtet, die Fürsten des Reiches hätten sich "ritterlichs schimpfs und spiels mit stechen, turnieren und rennen gar herlich" hingegeben. Bei diesem Turnier hätten der Prinz von Bayern und Herr Albrecht von Hohenlohe gen. Schelingen beschlossen, "scharf zu rennen". Dem Prinzen von Bayern fuhr dabei die scharfe "gleve" des Gegners "kleglichen" in die Kehle. Zehn Tage nach dem Unfall erlag er seinen schweren Verletzungen.
1295 Herzog Johann I. von Brabant, der 1288 die wohl berühmteste Schlacht des 13. Jahrhunderts, die Schlacht von Worringen, gegen die deutschen Fürsten gewonnen hatte, kam bei einem Turnier in Bar-le-Duc auf unglückliche Weise zu Tode.
1296 William Montague wurde bei einem Turnier von seinem eigenen Vater getötet.
1297 Johann von Isenburg kam bei einem Turnier in Koblenz ums Leben.
1403 Bei einem Turnier in Darmstadt, das Graf Johann von Katzenelnbogen veranstaltete, kamen 17 fränkische und neun hessische Adlige zu Tode, als beide Parteien einen wirklichen Streit auf dem Turnierfeld austrugen.
1559 Eines der letzten Turnieropfer, der französische König Heinrich II., wurde am 30.6.1559 in Paris durch den Lanzenstoß des Hauptmannes Gabriel de Lorges, des späteren Grafen Montgomercy, tödlich verletzt. Beim Zerbrechen ihrer Lanzen drang nämlich ein scharfer Holzsplitter durch den schmalen Sehschlitz des Helmes ins Auge des Königs und von dort weiter ins Gehirn. Zehn Tage später starb er trotz aller Bemühungen seiner Ärzte, die sogar mehrere Gefangene hinrichten ließen, um nachvollziehen zu können, wie es im Kopf ihres königlichen Herrn aussah.
Turniergesellschaften
Im 14. Jahrhundert gelang es den in Städten lebenden Niederadligen und reichen Kaufleuten, über königliche Ritterhebungen in den Ritterstand aufzusteigen. Um sich gegen diese sozialen Aufsteiger (Briefadel) abzugrenzen und ihr traditionsreiches Rittertum zu bewahren, gründeten die Altadligen exklusive Turniergesellschaften.
Die Turniergesellschaften des 14. Jahrhunderts können wohl auf eine ältere Tradition zurückblicken, genauere Nachrichten über die Entstehungszeit liegen aber nicht vor. Die wohl berühmteste und sehr alte Turniergesellschaft, der "Sternerbund", wurde bereits 1265 in Basel gegründet. Andere Turniergesellschaften legten sich Namen wie vom Fisch, vom Falken, von der Krone, des Kreuzes, des Wolfes, des Esels und der Bären zu.
Laut ihren Satzungen durfte keiner Mitglied werden, der einen städtischen Beruf ausübte. Die Turniergesellschaften, die sich rege an politischen Diskussionen und militärischen Unternehmungen beteiligten, traten geschlossen als eigenständige Körperschaft bei Adelsturnieren an. Sie taten sich im Turnierwesen noch besonders dadurch hervor, dass sie eigene Kampfspiele veranstalteten, die den Tjosten der sagenhaften Artusritter nachempfunden waren.
Diese "Tafelrunde" genannten Waffenspiele, seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts belegt, unterschieden sich vom normalen Turnei dadurch, dass nicht in Scharen gekämpft wurde, sondern in einer Reihe von Einzelkämpfen mit stumpfer Lanze. Dabei übernahmen sie die Rollen der Ritter "der Tafelrunde" aus der Artus-Sage. Der bretonische Sagenkönig Artus von Cornwallis hatte im 6. Jahrhundert gelebt und wurde jetzt zum Idol des dem "alten" Rittertum verhafteten Adels.
Städtische und bäuerliche Turniere
Schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts begannen die Niederadligen in den größeren Städten, wie der alte Adel der Turnierleidenschaft zu frönen. Da sie auf den Turnieren des Altadels wenig gelitten waren und häufig die Zulassungsvoraussetzungen, Wappenschau und Ahnenprobe, nicht erfüllten, veranstalteten sie selbst Turniere. So fanden z.B. in Niederdeutschland städtische Kampfspiele statt, die stark an die Artusfeste der Turniergesellschaften erinnern. In diesen Kreis gehören beispielsweise auch die von den Magdeburger Stadtherren, den Konstablern, gegen Ende des 13. Jahrhunderts veranstalteten Gral-Kampfspiele, zu denen "alle Kaufleute, die Ritterschaft üben wollten", eingeladen waren. Der Ablauf der stadtbürgerlichen Turniere ähnelte denen des Land- und Hofadels.
Am ausgehenden Mittelalter versuchten offensichtlich sogar die Bauern, es den Herren gleichzutun. Auf einigen Handzeichnungen des 15. Jahrhunderts werden Bauern beim Turnierkampf dargestellt, die in unbeholfener Weise versuchen, zu stechen und zu turnieren. Die überzogene Darstellung deutet aber an, dass es sich bei diesen Bildern um bauernfeindliche Karikaturen handelt.
Text von Stefan Grathoff
http://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/glossar/alphabet/t/turnier.html[/b]
Als Berufskrieger musste sich der Ritter ständig im Umgang mit den Waffen üben: Speerwerfen, Ringen, Springen, Wettlauf, Bogenschießen und Steinstoßen. Vor allem ließ er keine Gelegenheit aus, den Schwertkampf und den Stoß mit der Lanze zu trainieren. Natürlich wollte er seine Kräfte auch mit fremden Rittern und unter kriegsähnlichen Bedingungen erproben. Hierfür bot das Turnier ausreichend Gelegenheit, denn es war der ideale Ort zur Vorbereitung auf den Ernstfall.
Turniere waren aber nicht nur kämpferische Spiele, sie konnten durchaus fehdeähnlichen Charakter annehmen, wenn dort zwei Erzfeinde aufeinander trafen und die Klingen kreuzten. Dann konnte es ernst werden, doch anders als in der Fehde eskalierten die Kämpfe im Rahmen des Turniers in der Regel nicht.
Natürlich konnten manchmal Feindseligkeiten unter den Rittern nicht im Zaum gehalten werden. Bei einem Turnier, das Graf Johann von Katzenelnbogen im Jahr 1403 in Darmstadt veranstaltete, kam es zu einer ernsthaften Auseinandersetzung zwischen fränkischen und hessischen Rittern: 17 fränkische und neun hessische Adlige mussten auf dem Turnierfeld ihr Leben lassen.
Die einzelnen Kampfdisziplinen waren strengen Regeln unterworfen und die Art der Waffen für jeden Wettkampf vorgeschrieben. Auch wenn Feindschaft zwischen den kämpfenden Parteien herrschen mochte, blieb der "Turnierkrieg" begrenzt und ein sportlicher Wettkampf in Friedenszeiten, denn es war nicht erlaubt, einen Gegner vorsätzlich zu töten.
Als Herzog Leopold von Österreich im Jahr 1224 den Streit zwischen zwei Familien schlichten wollte und zu einem Sühnetag nach Freisach einlud, nutzte die Partei der Lichtensteiner das Treffen, um ihre Kontrahenten zu Zweikämpfen (Tjoste) in der Nähe der Stadt aufzufordern. Alle Ritter eilten auf das Kampffeld und vergaßen tagelang die Verhandlungsgespräche. Dem Herzog blieb nichts anderes übrig, als selbst ein großes Turnier zu organisieren, um allen Versammelten Gelegenheit zu geben, ihre Kampflust auszutoben.
Wurde ein Ritter besiegt, durfte er für diese Niederlage keine Rache nehmen. Mit dem Turnierende und der Ausrufung des Turniersiegers mussten alle Feindseligkeiten eingestellt werden.
Grundsätzlich wurden zu jedem bedeutenden Fest des Adels Turniere veranstaltet. Solche Anlässe waren etwa hohe Feiertage, Familienfeste, Hochzeiten, Hoher Besuch, Schwertleite und Reichs- oder Lehnstage. Die Turnierveranstalter nutzten solche Gelegenheiten, um ihren Reichtum und ihre Macht herauszustreichen. Sie scheuten weder Kosten noch Mühen, um die Veranstaltung zu einem vollen Erfolg werden zu lassen und stifteten attraktive Siegespreise, um die Kämpfer zu motivieren. Die Teilnahme von berühmten Kämpfern, die Anwesenheit hoher Persönlichkeiten und der vielen anderen Schaulustigen sollte Aufsehen erregen und ihren Ruhm mehren. Festliche Turniere wurden von den Dichtern besungen, im Heldenepos beschrieben und die Kampfszenen immer wieder von Künstlern dargestellt.
Kleine und große Turniere
Die zahlreichen kleinen Turniere, bei denen sich die Ritter im Buhurt oder in der Tjost auf den Burghöfen oder vor der Ritterburg maßen, waren ein fester Bestandteil des ritterlichen Lebens, haben aber nur ganz selten Eingang in die Quellen gefunden.
Im 12.Jahrhundert ist im Deutschen Reich nur ein kleines Ritterturnier auf einer Burg erwähnt, das um 1150 bei der Burg Jülich stattfand. Die vielen ritterlichen Kämpfe, bei denen zwei Streithähne im Tjost oder mehrere Ritter herausfinden wollten, wer der Stärkste sei, konnten auf jedem Burghof und jedem Feldweg ausgetragen werden. Doch solche Kämpfe darf man streng genommen nicht als Turnier bezeichnen, da ihnen typische Merkmale des ritualisierten Turniers fehlten, wie z.B. offizielle Einladung, Turnierleitung, Siegespreis u.ä.
Dagegen werden die großen höfischen Turniere wesentlich häufiger in den Chroniken, Briefen und Urkunden genannt. Solche Großveranstaltungen fanden nicht auf den kleinen Burgen, sondern in der Nähe der großen Residenzen des Hochadels oder am Hofe des Königs statt, d.h. in der Nähe einer Stadt.
In Deutschen Landen waren dies vor allem die Höfe der Babenberger, der Herzöge von Bayern, der Pfalzgrafen bei Rhein, der Landgrafen von Thüringen, der Markgrafen von Meißen, der Welfen in Braunschweig, der Grafen von Henneberg und Flandern, von Holland und Katzenelnbogen.
Nur die Stadt bot genügend Unterkünfte für die vielen Gäste und Turnierteilnehmer und eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs. Auch für das Turnierfeld, das so groß wie ein Fußballplatz sein konnte, war meist nur im städtischen Umfeld genügend Raum vorhanden. Zuweilen spielten sich die Wettkämpfe auf einem großen Marktplatz o.ä. ab, meistens aber auf einem ebenen Feld vor den Toren der Stadt.
Eine solche Großveranstaltung stellte eine gewaltige Herausforderung hinsichtlich der Organisation für die Verantwortlichen dar. Zahlreiche Hilfskräfte waren im Einsatz, um das Kampffeld zu planieren, mit Sand oder Stroh auszulegen, die Umfriedung und die Kampfschranken zu errichten sowie die Zuschauertribünen für den Adel aufzustellen. Daneben wurden Ordnungskräfte angeworben, um die Sicherheit der Teilnehmer zu gewährleisten, denn Diebstähle, Schlägereien, Nötigungen, Überfälle u.ä. gehörten auch damals zu den unangenehmen Begleiterscheinungen einer solchen Massenveranstaltung. Finanziert wurden die beträchtlichen Ausgaben des Veranstalters wenigstens zum Teil über Eintrittsgelder. Die Zeche zahlte allerdings der kleine Mann, der seinen "Stehplatz" bezahlen musste, während der Adel in der Regel freien Zutritt zu den Tribünen hatte.
Auf dem Regensburger Turnier zahlte man im Jahr 1487 auf den Stehplätzen zwei bzw. fünf Kreuzer. Dem Adel standen nicht nur die Tribünen kostenlos zur Verfügung, man traf sich auch im Untergeschoß in einer Art "VIP-Raum", der ganz "dem adel von frauen und mannen" vorbehalten war.
Am Hof wandelte sich der Charakter des Turniers. Das ursprünglich zur Einübung des Kriegshandwerkes dienende Waffenspiel wurde zu einem höfischen Spektakel, bei dem man kämpferischen Ruhm beim fachkundigen Publikum, Anerkennung bei den Standesgenossen und Bewunderung bei den Frauen ernten konnte. Festliche Bankette und Tanzveranstaltungen bildeten einen würdigen höfischen Rahmen.
Zuschauer und Kämpfer
Die bedeutenden Turniere waren Kampfspiel, Sportveranstaltung, höfisches Ereignis und Volksfest in einem; sie konnten mehrere Tage dauern und große Menschenmengen anziehen. Der Adel erschien mit der ganzen Familie und großem Gefolge. Für ihn bedeutete das Turnier eine willkommene Gelegenheit, befreundete Familien zu treffen und neue Kontakte zu knüpfen, denn viele Edelleute saßen relativ isoliert auf ihren entlegenen Burgen und kannten ihre Nachbarn kaum. Das Turnier war ein gesellschaftliches Ereignis, bei dem man Freundschaften schließen, Streitigkeiten begraben und Heiratsabsprachen treffen konnte. (Kriegerische Leistungen spielten für die fürstliche Heiratspolitik eine ausschlaggebende Rolle. Mutige und kampfgewaltige Ritter standen als Schwiegersöhne besonders hoch im Kurs.)
Die ortsansässigen Bewohner strömten zum Turnierplatz und feuerten ihre Favoriten an. Hinzu gesellten sich zahlreiche auswärtige Schaulustige, die teilweise schon Tage vor Turnierbeginn anreisten. Die zahlreichen Besucher bedeuteten für die Bevölkerung des Turnierortes eine einträgliche Einnahmequelle. Die Händler, Gastwirte und Handwerker hatten alle Hände voll zu tun, um allen Wünschen nachzukommen. Spielleute, Narren und Gaukler, die auf keinem mittelalterlichen Fest fehlen durften, trieben ihre Späße und zeigten ihr Können.
Frauen auf Turnieren
Von Anfang an spielten die Frauen bei den Turnieren eine wichtige Rolle. Für die adligen Damen war das Turnier eine Möglichkeit, sich zu zeigen und gleichzeitig selbst gesehen zu werden. Ihre Anwesenheit hatte darüber hinaus eine stimulierende sowie zivilisierende Wirkung auf die Kämpfer, denn sie spornte einerseits den Kampfgeist der Ritter an und andererseits hielt sie die Kämpfer an, ein ritterliches Verhalten an den Tag zu legen. Ihre Kühnheit und Ritterlichkeit verfehlten aber auch bei den Damen ihre Wirkung nicht. So wohnten diesem Wechselspiel stark erotische Reize inne, denen - so berichten zumindest die Chronisten - zuweilen auch nachgegeben wurde.
Der gelebten Liebe stand die höfische Minne gegenüber. Die ritterliche Verehrung für die Frau war ein wesentlicher Bestandteil des Turniers. Einige Ritter erwählten eine Dame und baten sie um Erlaubnis, ihr zu Ehren "turnieren" zu dürfen. Akzeptierte die Dame, überreichte sie dem Ritter als Pfand und Zeichen seines Minnedienstes ein Hals- oder Taschentuch, das dieser an seiner Lanze oder seinem Helm befestigte. So sehr die höfische Dichtung betont, dass diese Verehrung der (meist verheirateten) Dame dem hohen Ziel der ritterlichen und damit keuschen Minne verpflichtet war, wohnte dieser Sitte jedoch auch ein erotisches Moment inne.
Die Turnierteilnehmer
Am Turnier durften nur solche Adlige teilnehmen, die zum Ritter geschlagen waren oder einen ritterlichen Lebensstil pflegten. Diese Abgrenzung richtete sich vor allem gegen Stadtbewohner und Handeltreibende, die, auch wenn sie (nieder-)adliger Herkunft waren, im Allgemeinen nicht an den Ritterturnieren teilnehmen durften. Den Bauern war das Tragen von ritterlichen Waffen ohnehin untersagt und generell auch die Teilnahme am Ritterturnier. Unehrenhafte Ritter, die eines Verbrechens beschuldigt wurden, und nicht standesgemäß verheiratete Ritter waren vom Turnier ausgeschlossen.
Zahlreiche adlige Ritter nutzten jede Gelegenheit, um an Turnieren teilzunehmen und dort ihre Reit- und Kampfkünste zu zeigen. Verhielten sie sich zudem noch besonders ritterlich, war ihnen Ruhm und Ehre sowie die Bewunderung von Frauen gewiß. Vor allem die Jungritter unternahmen im Anschluss an ihre Schwertleite regelrechte Turnierfahrten, um sich einen Namen zu machen und ihre Ritterlichkeit unter Beweis zu stellen.
Einige Ritter nahmen bis ins hohe Alter an den Wettkämpfen teil. Der älteste bekannte Turnierteilnehmer war ein Ministeriale namens Otto von Haslau, der 1278/1280 als Achtzigjähriger in die Turnierbahn ritt.
Viele Ritter betrieben den Turniersport als Broterwerb. Sie stürzten sich entschlossen in den Kampf, um die zu gewinnenden Preise in Form von Rüstungen, Pferden und Siegesprämien einzuheimsen.
Wie viele Kämpfer an den Turnieren beteiligt waren, hing ganz von der Größe und Art der Veranstaltung ab. Während auf den kleinen Turnieren nur eine Handvoll Ritter bei Tjost und Stechen gegeneinander antraten (Am 25. und 26. Mai 1434 beteiligten sich in Nürnberg 12 Ritter mit scharfen Waffen an einer Tjost), konnten bei den großen höfischen Turnieren hundert und mehr Ritter aufeinander treffen.
Herzog Leopold von Österreich trat im Jahr 1223 in Friesach mit 9 Fürsten und 397 Rittern an. Auf dem Turnier, das Herr Ulrich von Lichtenstein am 31.5.1227 in Neunburg veranstaltete, nahmen 250 Ritter teil. Die Limburger Chronik erwähnt im Jahr 1360 sogar 1.000 Helme, d.h. ritterliche Kämpfer, bei einem Turnier in Nürnberg. In derselben Stadt kamen Ende August des Jahres 1408 insgesamt 352 Helme, davon 60 Ritter, zusammen. In seinem berühmten Buch "Turnier von Nantheiz (Nantes)" berichtet der Dichter Konrad von Würzburg (gest. 1289) von 4.000 Rittern, in seinem Stück "Engelhard" von 2.000 Rittern, die an einem Turnier teilgenommen haben sollen.
Edelknappen
Mit dem Begriff Knappe bezeichnet man sowohl die nicht adligen Diener (Knechte) der Ritter als auch solche jungen adligen Männer, die von einem Ritter im Rahmen ihrer Erziehung ausgebildet wurden und ihn auch zu den Turnieren begleiteten. Diese Edelknappen nutzten solche Gelegenheiten, um sich mit Edelknappen anderer Ritter im Bogenschießen, Axt- und Spießwerfen zu messen. Beliebt war auch die Einübung des Lanzengebrauchs. Dieses Stechen wurde mit Hilfe einer Puppe trainiert, die in der einen seitlich ausgestreckten Hand einen Schild und in der anderen ebenfalls ausgestreckten Hand einen Streitkolben hielt. Diese Puppe war drehbar auf einem Holzklotz montiert. Indem der Reiter den Schild der Puppe mit seinem Lanzenstoß traf, drehte sich die Stechpuppe und drohte, dem Knappen den Streitkolben in den Rücken zu schlagen. Der Reiter musste schnell und geschickt sein, um diesem Schlag zu entgehen. Die Knappen und die Edelknappen spielten bei dem Turnei genannten Massenkampf eine wichtige Rolle.
Wie es auf einem Turnier zuging
Die Einladung zu den Turnieren wurde grundsätzlich vom Turnierveranstalter, dem König oder einem angesehenen Adligen, ausgesprochen. Er schickte Boten aus, um Ort, Termin, die ausgesetzten Preise und die Höhe des Lösegeldes, das man von "gefangenen" Gegnern fordern durfte, bekannt zu geben. Für die Dauer der Veranstaltung herrschte eine allgemeine Friedenspflicht, dies war eine der Grundvoraussetzungen des Turniers. Niemand, der an einem Turnier teilnahm, durfte wegen irgendwelcher Anschuldigungen oder Streitigkeiten belangt werden. Den Teilnehmern wurde grundsätzlich freies Geleit zugesichert, d.h. sie konnten ungehindert anreisen, turnieren und danach wieder von dannen ziehen.
Zulassung zum Turnier
Bevor die Ritter zum Turnier zugelassen wurden, mussten sie ihre Turnierhelme samt der Helmzier und ihre Turnierwaffen zur Begutachtung vorlegen. Es wurde geprüft, ob die scharfen Schwerter nicht zu schmal und die für manche Kämpfe vorgeschriebenen stumpfen Waffen auch wirklich turniertauglich waren. Als das bis dahin relativ freie Wappenwesen im 13. Jahrhundert strenger geregelt wurde, nahmen die Herolde auch eine Wappenschau vor.
Seit dem 12. Jahrhundert sind die Herolde als Experten der Wappenkunde belegt. Bei Turnieren waren sie für die Musterung der Ritterhelme, ihrer Wappen und Waffen zuständig, während sie bei den Wettkämpfen selbst als Beobachter und Sachverständige fungierten. Außerdem hatten die Herolde bei den Feldzügen ihrer Herren die Aufgabe, Buch über die zum Kriegsdienst verpflichteten Ritter (Heerfolgepflicht der Lehnsleute) zu führen, ihre Heldentaten zu protokollieren und die Namen der gefallenen Ritter zu registrieren. Die Herolde gehörten später auch zu den Verfassern der Wappenrollen und Turnierbücher.
Sie kontrollierten, ob das Adelswappen auf dem Schild, dem Waffenrock und der Pferdedecke rechtmäßig war. Wer diese Prüfung nicht bestand, durfte am Turnier nicht teilnehmen. In dieser Zeit kam noch die sog. Ahnenprobe hinzu. Von den Turnierbewerbern wurde der Nachweis gefordert, dass sie seit mehreren Generationen dem Adel angehörten. Der geforderte Stammbaum konnte vier und mehr Generationen sowohl in der väterlicher als auch der mütterlichen Erblinie umfassen.
Verfahren zum Nachweis der Adelsqualität sind seit dem 13. Jahrhundert bekannt. Ahnenproben waren zunächst wichtig für Lehens- und Erbfragen, das Beweisrecht im gerichtlichen Zweikampf, die Aufnahme in adlige Domkapitel usw. Im Spätmittelalter bürgerte sich der Rechtsbrauch ein, auch die Zulassung zu Ritterturnieren, die Mitgliedschaften in Rittergesellschaften usw. von Ahnenproben abhängig zu machen.
Außerdem musste der Bewerber nachweisen, dass er selbst oder seine Vorfahren innerhalb der letzten fünfzig Jahre regelmäßig an Turnieren teilgenommen hatten. Hinter Wappenschau und Ahnenprobe stand der Wunsch des "alten" Ritteradels, die "neuen" Ritter, durch königliche Standeserhebung aufgestiegene Stadtbewohner und Kaufleute (sog. Briefadel), vom Turnier fernzuhalten. Obwohl diese ritterähnlich lebten und über vollständige Turnierharnische verfügten, waren sie als Emporkömmlinge beim Altadel nicht gut angesehen. Man wollte verhindern, dass Neuritter in den Stand der Altritter aufstiegen (Abschließung des Ritterstandes). Als Kaiser Karl IV. (1346-1378) immer häufiger reiche Bürger zu Rittern schlug, erließen die Alt-Ritter zusätzlich Turnierordnungen, um auf diese Weise die Städter von ihren Turnieren auszuschließen.
Die Turnierordnung von Würzburg beispielsweise schloß 1479 alle aus, "die von adl kauffmanschaft treiben als ander kauffleuth, die nit von dem adl seindt" und in der Heidelberger Turnierordnung von 1481 heißt es sogar, "es soll auch keiner, der in den städten gebürgert ist, zum thurnier zugelassen werden." Die Heilbronner Turnierordnung von 1485 legte dann endgültig fest "Wer aus freien Stücken in einer Stadt wohnt, dort Steuern zahlt und Wache hält, darf nicht zum Turnier zugelassen werden.
Die Wettkämpfe
Auf den Ritterturnieren wurde in verschiedenen Disziplinen, Mann gegen Mann oder in Gruppen, gekämpft. Zu den grundlegenden Kampfarten gehörten der Buhurt, die Tjost und der Turnei. Daneben gab es einige Unterarten (Rennen, Stechen, Kolbenturnier, Fußkampf), die sich aus den drei Grundformen entwickelt hatten. Die unterschiedlichen Disziplinen konnten einzeln nacheinander stattfinden, es gab aber auch Turniere, bei denen nur eine Kampfart ausgetragen wurde.
Schaukampf - Der Buhurt
Der Buhurt war weniger Kampf als vielmehr Geschicklichkeitswettbewerb zu Pferd und erfreute sich besonders in Deutschland großer Beliebtheit. Der Name Buhurt erscheint im deutschen Sprachbereich um 1150. Er setzte sich aus dem Wort "bu" (Haus, Bau, Gebäude aber auch Bestellen des Feldes) und dem Wort "hurte" (Losrennen, Stoß, Anprall) zusammen. Im Französischen wird der Buhurt als "melée" = Handgemenge bezeichnet. Mit der Entwicklung von friedlichen Formen des Turnierkampfes verwischt sich der Bedeutungsunterschied zwischen "turnei" und "buhurt", so dass das Wort "buhurt" im 14. und 15. Jahrhundert immer seltener auftritt und schließlich ganz verschwindet.
Beim Buhurt formierten sich zwei Parteien, die jeweils von einem Hauptmann kommandiert wurden. Auf ein Zeichen ritten beide Gruppen aufeinander zu, prallten spielerisch zusammen, und der Gruppenverband löste sich auf. Jetzt "kämpfte" man in Zweigruppen gegeneinander, um zu zeigen, wie man sein Pferd beherrschte, wie geschickt man es wenden, drehen und parieren konnte. Da es nicht darum ging, einen Sieg zu erringen, trugen die Reiter nur eine leichte Rüstung. In seltenen Fällen scheinen Schilde und leichte Speere erlaubt gewesen zu sein. Mit ihrer Hilfe versuchte man, den Gegner abzudrängen bzw. vom Pferd zu stoßen.
Der Buhurt, oft anlässlich eines Festes oder zu Ehren eines Gastes veranstaltet, wird in der höfischen Dichtung als Ausdruck der kriegerischen Freude geschildert. Behändes Wenden der Pferde auf engstem Raum und das laute Dröhnen von aufeinander prallenden Schilden und Speeren, dazu der Kampfruf der Beteiligten Hurta, Hurta (drauf, drauf) sollen den Reiz des Kampfspiels ausgemacht haben. Obwohl der Buhurt relativ harmlos verlief, blieben Verletzungen beim Sturz vom Pferd nicht aus. Auch Tote waren zuweilen zu beklagen.
Das Einzelstechen
Die Als Tjost bezeichnet man den Lanzenkampf von zwei Reitern in voller Rüstung. Das Wort Tjost hat sein Ursprung im lateinischen "justa", was soviel wie rd in England griff man im 13. Jahrhundert bei der Herausforderung des Gegners auf die am Hofe des sagenhaften König Artus' üblicheechtmäßiger Kampf bedeutet. Im frühen Mittelalter wurden strittige Gerichtsfälle nicht selten in einem Zweikampf entschieden. Der Ritter forderte seinen Gegner über einen Mittelsmann zum tjostieren auf: Er beauftragte entweder einen Turnierherold, oder er schickte seinen Knappen.
In Norddeutschland, den Niederlanden un Zeremonie zurück: Man berührte den am Wappenbaum hängenden Schild des Gegners mit der Lanzenspitze.
Wurde die Aufforderung angenommen, stellten sich beide Ritter zur ersten Runde des Tjostes in gewisser Entfernung zueinander in der Kampfbahn auf. Die Entfernung betrug zwischen 200 und 300 Schritten. Wer die Lanze sicher zu führen verstand, wählte einen langen Anlauf, der besonders wirkungsvoll war. Mit dem Aufkommen der schweren Ritterrüstungen wurden sicheres Reiten und Zielen mit der Lanze immer schwieriger und die Kämpfenden zogen einen kürzeren Anlauf vor.
Die Ritter setzten die Helme auf, schlossen die Visiere und sprengten mit eingelegter Lanze aufeinander zu. Die anfänglich spitzen Lanzen wurden mit der Zeit zunehmend gegen stumpfe Lanzen ausgetauscht, um die oft lebensgefährlichen Verletzungen zu vermeiden. Ziel des Zweikampfes war es nämlich, den Gegner mit der Lanze zu treffen und aus dem Sattel zu heben. Wer fiel, hatte den Kampf verloren.
Geübte Lanzenkämpfer wendeten den schwierigen Kinnstoß an. Gelang es ihnen, den Hals des Gegners zu treffen, wurde er betäubt und stürzte rückwärts vom Pferd. Einfacher war es, einen Stoß "zu den vier Nägeln" zu versuchen, d.h. auf den mit Eisenbeschlägen verstärkten Schildbuckel zu zielen. Hierbei war es besonders wichtig, eine möglichst große Stoßkraft im Moment des Aufpralls zu erreichen. Deshalb ließ man das Pferd zunächst nur galoppieren, um kurz vor dem Zusammenprall in die Karriere überzugehen, d.h. das Pferd zur schnellsten Gangart anzutreiben. Meist zersplitterte zwar die Lanze, aber der frontale Stoß fegte den Gegner dennoch aus dem Sattel.
Um den Reitern einen festeren Halt auf ihren Pferden zu geben, wurden aus diesem Grund die Sättel der Turnierpferde erhöht (Hohenzeugsattel). Es war aber verboten, sich am Pferd in irgendeiner Weise festzuschnallen, um das Herunterfallen zu verhindern.
Es gehörte zu den Turnierregeln, dass man den direkten und gefährlichen Zusammenprall mit dem Gegner und seinem Ross vermied und nach dem Lanzenstoß das Pferd nach rechts lenkte. Das Überreiten des Gegners galt als unritterlich. Trotzdem kam es häufig zu solchen Zusammenstößen. Deshalb wurden hölzerne Barrieren, die sog. Schranken (Planken, Pallia), errichtet, welche die beiden vorpreschenden Reiter voneinander fernhielten.
Dieses "Stechen über die Planke" wurde auch als Welsches Stechen bezeichnet. Da die Lanzen jetzt nicht mehr frontal, sondern "nur" noch in einem Winkel von ca. 75 Grad den Körper des Gegners trafen, reduzierte sich die Wucht des Stoßes spürbar.
Es war auch verpönt, auf das Pferd zu zielen Da es wohl doch häufig geschah, war der Kopf des kostbaren Turnierpferdes von einer stählernen oder ledernen Rossstirn, der Brustbereich von einem speziellen Panzer, dem Fürbug, geschützt. Untersagt war es auch, dem Gegner in die Zügel oder das Zaumzeug zu greifen. Brachte ein Ritt nicht den gewünschten Erfolg, wurde ein neuer Anlauf eventuell mit einer neuen Lanze unternommen.
Ulrich von Lichtenstein soll am 1.5.1224 an einem Tag 30 Lanzen verstochen und am nächsten Tag gegen sechs Gegner nochmals 25 verbraucht haben. Von Gahmuret heißt es im Parzival, er habe an einem Tag 100 Lanzen benötigt. Viel Glauben kann man diesen Angaben nicht schenken, es handelt sich dabei wohl um eine der üblichen mittelalterlichen Übertreibungen, die dem Leser verdeutlichen sollte, dass die Kämpfer über Stunden vollen Einsatz bringen mussten.
Wenn das Stechen keinen Erfolg brachte oder beide Ritter vom Pferd gefallen waren, konnte der Kampf zu Fuß weitergehen. Dann hieb man mit Schwertern aufeinander ein, bis einer der beiden Ritter erschöpft aufgeben musste. Er verließ die Kampfbahn oder nahm den Helm ab und gab damit zu verstehen, dass er nicht weiterkämpfen wollte.
Stechen und Rennen
Im späten 14. Jahrhundert wurde die traditionelle Form des Tjostes von zwei Kampfarten abgelöst: dem sog. Stechen mit stumpfer bzw. dem Rennen mit scharfer Lanze. Das Stechen mit stumpfer Lanze entsprach am ehesten der alten Tjost. Es erfreute sich großer Beliebtheit, da es weniger anstrengend und vor allem ungefährlicher war. Das Scharfrennen stellt dagegen den Versuch dar, die Tjost wieder riskanter und spannender zu machen. Doch auch der Stoß mit scharfer Lanze war nach der Einführung des Plattenharnischs nicht unbedingt lebensgefährlich. Trotz der scharfen Waffen ging es auch hier weniger darum, den Gegner zu verletzten und vom Pferd zu stechen, sondern einen kleinen Rundschild, die sog. Renntartsche, zu treffen bzw. abzureißen. Diese bestand aus Linden- oder Birkenholz und war im Brustbereich an der Turnierrüstung befestigt.
Beim sog. Geschift-Tartschenrennen war die Tartsche so konstruiert, dass sie in mehrere Stücke zersplitterte, wenn sie von der gegnerischen Lanze getroffen wurde.
Der Turnei - Der Massenkampf
Als Krone der Waffenspiele galt der Turnei, ein Massenkampf, an dem zahlreiche Ritter teilnahmen. Die Turnierveranstalter bestimmten am Vortag des Turniers zwei Parteiführer, einen "Herausforderer" und einen "Verteidiger". Dies waren Adlige meist vornehmen Standes, die jeweils eine Schar von Rittern unter ihrer Fahne versammeln sollten.
Am Morgen des eigentlichen Turniertages ritten die Turnierrufer (Kroijiere), durch das Zeltdorf der Ritter und trommelten die Kämpfer zusammen. Dann traf man sich zu einer feierlichen Messe.
Die Kirche war eigentlich gegen diese Turniere, konnte die Beliebtheit der Turniere aber nicht einfach ignorieren, denn sie war auf die Ritter vor allem für die Kreuzzüge angewiesen. So wird vor jedem Turnier eine Messe stattgefunden haben. Vielleicht nutzten die Priester die Gelegenheit, um den turnierenden Rittern ins Gewissen zu reden.
Im Anschluss daran ritt man zum Turnierfeld. Die Kroijiere stellten den vornehmen Damen und Herren auf den Tribünen und dem anderen Publikum rund um das Turnierfeld die einzelnen Teilnehmer vor. Man lobte und pries ihre Namen und würdigte das von ihnen geführte Wappen.
Die zum Turnier zugelassenen Ritter wurden durch einen einfaches Wahl- bzw. Losverfahren auf die beiden Anführer verteilt und stellten sich unter seiner Fahne auf beiden Seiten des abgesteckten Turnierfeldes einander gegenüber auf. Die Herolde verkündeten die Turnierregeln und geboten den Zuschauern bei Androhung schwerster Strafen, sich nicht in die Kämpfe einzumischen. Gelegentlich eröffnete eine Tjost der beiden Anführer der Turnei. Meistens begann der Turnei aber mit dem Lanzenkampf.
Lanzenkampf
Der erste Teil des Turneis bestand aus einer Art Gruppen-Tjost. Einige gepanzerte Reiter aus jeder Gruppe stellten sich, nur mit der Stoßlanze bewaffnet, einander gegenüber auf. Dann gaben die Trompeter das Zeichen zum Kampf und beide Gruppen sprengten geschlossen mit eingelegter Lanze aufeinander los. Wie bei der Tjost barsten die Lanzen und die ersten Reiter fielen aus dem Sattel. In den Jubel der Zuschauer mischten sich die ersten Schmerzensschreie. Die Knappen und Knechte eilten herbei, räumten die gebrochenen Lanzen fort und trugen Verwundete hinaus.
Die im Sattel gebliebenen Reiter waren aneinander vorbei geritten und befanden sich jetzt auf der "Seite der Gegner". Waren ihre Lanzen zersplittert, standen sie wehrlos da. Sie mussten ihre Pferde wenden und versuchen, an den gegnerischen Reitern und Knappen vorbei, wieder auf ihre eigene Seite zu gelangen. Bei diesem Manöver konnten sie eingekreist und gefangen genommen werden. Wer glücklich auf seiner Seite ankam, war in Sicherheit und durfte sich ausruhen. Wer noch im Besitz seiner Lanze war, versuchte, egal wo er sich befand, mit einem neuen Anlauf einen wehrfähigen Gegner aus dem Sattel zu stechen bzw. wehrlose Ritter gefangen zu nehmen.
Der variationsreiche Lanzenkampf im Turnei unterschied sich von dem des einfachen Tjostes. Denn Lanzenführung, Deckung des Reiters und Führung des Pferdes waren verschieden, je nachdem, ob man den Gegner in der Gruppe nach einem längeren Anlauf angriff (Stich zem puneiz), von der Seite anfiel (Stich ze triviers, à travers) oder ihn gar verfolgte (Stich zer volge). Es machte auch einen Unterschied, ob man mit einem kurzen Anritt (Stich z'entmouten) oder mit weitem Anlauf (Stich ze rehter tjost) auf den Gegner lospreschte.
Eine Gefangennahme drohte vor allem den vom Pferd gefallenen Herren, wenn es ihren Knappen (Kipper) nicht gelang, sie rechtzeitig vom Turnierfeld zu schaffen. Der erste Waffengang war vorüber, wenn eine Gruppe keinen wehrfähigen Ritter mehr im Sattel hatte.
Danach setzten andere Ritter beider Gruppen den Lanzenkampf solange fort, bis die Schar der Gegner durch Gefangennahme Einzelner so geschwächt war, dass sie aufgeben musste oder ein Trompetensignal der Turnierleitung den ersten Teil des Turneis beendete. Diese Lanzenkämpfe konnten viele Stunden dauern, da es den Rittern erlaubt war, das Pferd und die Lanze zu wechseln sowie sich selbst zu erfrischen. Sie durften das Turnierfeld verlassen und sich im Schatten eines Baumes ausruhen, mussten aber in Sichtweite bleiben. Hatten sie ein paar Augenblicke verschnauft, konnten sie sich mit neuer Energie in das Kampfgetümmel. stürzen.
Schwertkampf
Im zweiten Teil des Turneis wurde mit dem Schwert gekämpft. Die Scharen ordneten sich, die Knappen legten ihren Rittern das meist stumpfe Turnierschwert in die Hand und jetzt sprengten alle aus beiden Gruppen aufeinander los. Der Schwertkampf galt bei Rittern, die im Zeichen der Ehre oder der Minne kämpften, als wenig ehrenhaft und wurde bei manchen Turnieren ausgelassen. Doch neben diesen "edlen" Rittern kämpften auch hart gesottene Haudegen, die ganz auf ihr Schwert und die Stärke ihrer Pferde vertrauten und nur wegen der Beute in den Turnei zogen. Sie versuchten mit allen Mitteln, den Gegner kampfunfähig zu machen, seinen Schild in Stücke zu hauen, ihm das Schwert aus der Hand zu winden, ihn mit Hieben auf den Helm zu betäuben, den Helm vom Kopf zu schlagen oder die Zügel aus der Hand zu reißen. Mit Hilfe der Knappen wurde der Wehrlose umzingelt, von seinen Mitstreitern getrennt und vom Sieger am Zaum fortgezerrt. Wer so "gezäumt" war, der wurde, wie vornehm er auch sein mochte, vom Sieger und dessen Knappen nicht mit Samthandschuhen angefasst. Die Knappen, die innerhalb der Schranken einen Knüppel mit sich führen durften, hatten das ausdrückliche Recht, den Gezäumten auf seinem Pferd mit Knüppelhieben vom Turnierfeld zum Zelt ihres Herrn zu treiben. Die Freunde des Gezäumten konnten innerhalb der Schranken versuchen, ihn aus der schmählichen Lage zu befreien. Um die Gefangenen entbrannte, so ist dies auf zeitgenössischen Turnierdarstellungen zu sehen, ein erbittertes Ringen, Drängen und Schieben.
Erst seit dem 15. Jahrhundert begann die Turnierbuchliteratur aufzublühen. Berühmte Turnierbücher des 16. Jahrhunderts sind etwa das Augsburger Turnierbuch (1518), das "Handbuch eines christlichen Ritters" von Erasmus von Rotterdam (1520), das Rüxnersche Turnierbuch (1530) und das Turnierbuch Herzog Wilhelms IV. von Bayern (1541).
Gefangennahme und Lösegeld
Wer beim Turnei in Gefangenschaft geriet, musste dem Sieger "Sicherheit geben", d.h. er hatte ihm in der Regel Pferd und Rüstung auszuhändigen oder schuldete ihm einen entsprechenden Geldbetrag, mit dem er sich auslösen konnte. Da viele Ritter, die Ross und Rüstung verloren hatten, nicht genügend Geld besaßen, um die teuren Rittersachen zu ersetzen, ging man dazu über, bereits vor Turnierbeginn eine angemessene Summe festzulegen, mit der sie sich freikaufen konnten.
Vornehme, auf Ruhm und Ehre bedachte Ritter ließen ihre Gefangenen großmütig frei oder verschenkten die erzielten Lösegelder an Bedürftige. Weniger edelmütige Ritter betrachteten Turniere vornehmlich als Einkommensquelle. Sie zogen von Turnier zu Turnier, nahmen möglichst viele Gefangene und gelangten mit Hilfe der Lösegelder bzw. des Verkaufs der erbeuteten Rüstungen und Pferde zu teilweise beachtlichem Reichtum.
Der berühmte "Turnierprofi" Ritter William Marshall soll im 13. Jahrhundert im Verlauf von zwei Jahren 103 Ritter gefangen genommen haben. Vom Reichsmarschall William von Pembroke wird berichtet, er habe während der Jugendzeit des späteren englischen Königs Henry III. (1216-1272) mit Lösegeldern beträchtliche Summen erzielt.
Kolbenturnier
Seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts konnten besonders im Rahmen eines Vorturniers auch andere Gruppenkämpfe, sog Kolbenturniere veranstaltet werden. Auch hier standen sich zwei verschiedene Parteien auf dem Turnierfeld gegenüber. Es war das Ziel der Reiter, die Helmzier ihrer Gegner mit einem Kolben oder einem stumpfen Schwert abzuschlagen. Die Kolben waren kurze Eisenstangen. Sie durften an der Spitze nur daumendick sein und anders als der normale Streitkolben keine spitzen Nägel aufweisen. Die Kolben waren meist mit einer Kette am Brustharnisch befestigt. Kolbenturniere konnten mehrere Stunden dauern. Wer sich auf dem Turnierfeld zu einer unritterlichen Handlung hinreißen ließ, oder trotz nicht bestandener Helmschau einfach am Turnier teilnahm, durfte ungeachtet seiner gesellschaftlichen Stellung verprügelt werden " bis ihm der Harnisch vom Leib fiel". Dann setzte man den Übeltäter mitsamt seinem Sattel auf die Schranken, wo er zur Strafe bis zum Ende des Turniers sitzen bleiben musste. Sein Schwert und seine Rüstung fielen den Herolden bzw. den Turnierknechten zu.
Weitere Turnierarten
Eine Variante des Gruppenkampfes bestand im 15. Jahrhundert darin, dass zwei etwa gleich große Gruppen zu Fuß mit langen zweischneidigen Schwertern gegeneinander um die Beherrschung des Kampfplatzes stritten. Bei diesen wohl wenig "ritterlichen" Kämpfen kam es vor allem auf den körperlichen Einsatz und weniger auf Geschicklichkeit an.
Zur Zeit Kaiser Maximilians I. (1486-1519) gab es eine Vielzahl verschiedener Wettkampfarten. In "Freidals Turnierbuch" werden die einzelnen Gattungen genannt. Man unterschied deutsche Gestech, Rennen fest angezogen, Rennen unter dem Bund, Geschifftrennen, Geschweiftrennen, Feld- und Kampfrennen, welsches Gestech und Kampf (zu Fuß).
Ende des Kampfes und Siegerehrung
Die Herolde ließen das Ende des Turniers mit Fanfarenstößen verkünden. Die Kampfrichter, meist hohe Herren und alte, erfahrene Recken, hatten den ganzen Tag die Kämpfenden beobachtet und Punkte verteilt. Turniersieger wurde, wer beim Lanzenkampf bzw. Schwertkampf die meisten "Feinde" vom Pferd geholt und die meisten "Gefangenen" gemacht hatte. Der Turniersieger erschien vor der Haupttribüne, wo ihm wahrscheinlich eine edle Dame unter großem Beifall den Siegeskranz aufs Haupt setzte. Der Wert des Siegespreises entsprach der Freigebigkeit des Turnierveranstalters. Der wahre Ritter kämpfte ohnehin durch die vrouwen [und] durch ere, und nicht umbe guot. Doch neben der Bewunderung der Frauen und dem gewonnen Ansehen werden die Sieger auch Sachpreise in Form einer Geldprämie, eines Goldstückes, eines Jagdfalken, eines Windhundes, eines Pferdes o.ä. nicht verschmäht haben. Den Turniertag beschloss gewöhnlich ein festliches Bankett im Burgpalas oder im Rathaussaal. Nach dem Essen wurde bis tief in die Nacht gefeiert, getrunken und getanzt.
Turnierverbote
Die Kirche war ein entschiedener Gegner der Turniere. Sie warf den Turnierteilnehmern eitle Selbstdarstellung vor und rügte vor allem die mit dem Turnier verbundenen Vergnügungen und Belustigungen. Auch die Verehrung einer verheirateten Frau im Rahmen der ritterlichen Minne war der Kirche äußerst verdächtig. Neben etwaigen moralischen Bedenken, äußerte sie auch Kritik an der hohen Zahl der Toten. Während der "gerechte Krieg" der Kreuzritter gegen "die Ungläubigen" selbstverständlich Unterstützung genoss, wurde das Töten unter den christlichen Rittern von der Kirche geächtet. Papst Innozenz II. (1130-1143) untersagte auf dem 2. Konzil von Clermont im Jahr 1130 "die Abhaltung jener abscheulichen Märkte oder Jahrmärkte, auf denen die Ritter sich nach ihrer Gewohnheit zusammenfinden, um ihre Kräfte und ihre Kühnheit zu messen, was oft zum Tode von Männern und zu großer Gefahr für die Seelen führt". Derjenige Ritter, der bei einem Turnier sein Leben verlor, habe zwar Anspruch auf die Tröstungen der Kirche, solle aber nicht in geweihter Erde begraben werden. Obwohl auch spätere Konzilien (1139, 1179 und 1193) die Turniere kritisierten und warnten, dass der während eines Turniers getötete Ritter die ewige Seligkeit verlöre, zeigten die kirchlichen Drohungen kaum Wirkung. Die Turnierleidenschaft der Fürsten und Ritter und ihre Freude an festlichem Gepränge waren stärker als alle Verbote. Papst Gregor X. forderte König Rudolf von Habsburg im Jahr 1275 auf, die Turniere im Reich zu verbieten. Dieser war jedoch selbst ein großer Anhänger des Turniers und trat mehrmals persönlich zum tjostieren an. Die Kirche konnte auf der anderen Seite ihre Strafandrohungen nicht in die Tat umsetzen, weil eine massenhafte Exkommunizierung die Ritterschaft derart dezimiert hätte, dass den Kreuzzugsheeren die Kämpfer ausgegangen wären. Im Jahr 1316 resignierte die Kirche und Papst Johannes XXII. (1316-1334) hob das kirchliche Turnierverbot wieder auf.
Tote und Verletzte
Trotz aller Turnierregeln waren die Kämpfe gefährlich. Die stumpfen Lanzen oder Schwerter konnten, wenn sie unglücklich trafen, den Gegner schwer verletzen oder gar töten. Blaue Flecke, Blutergüsse, Prellungen und Brüche waren an der Tagesordnung. Die meisten Ritter kamen aber zu Schaden, weil sie vom Pferd stürzten, im Getümmel von Pferdehufen zertrampelt wurden oder im Staubwirbel unter ihren geschlossenen Helmen erstickten. Über die Zahl der Toten lassen sich nur Mutmaßungen anstellen. Die Chroniken konzentrieren sich meist nur auf die vornehmen Herren, die vielen weniger prominenten Opfer bleiben unerwähnt. Die Todesliste der im Turnier getöteten hochgestellten Herren ist lang, hier nur ein paar Beispiele:
Jahr Ereignis
1095 Bereits beim ersten historisch bezeugten Turnier in Flandern war ein Todesopfer zu beklagen: Graf Heinrich III. von Löwen starb durch einen Lanzenstoß mitten ins Herz.
1175 Graf Konrad, der Sohn des Markgrafen Dietrich von der Lausitz, wurde am 17. November bei einem Turnier durch einen Lanzenstoß getötet. "So sehr" klagte der Chronist des Klosters Montis Sereni bei Halle "hat sich dieses verderbliche Spiel bei uns eingebürgert, dass in diesem Jahr bereits sechzehn Ritter in Sachsen dabei den Tod gefunden haben."
1176 Markgraf Dietrich von Meissen kam beim Turnieren ums Leben.
1186 Geoffroi Plantagenet, der Sohn König Heinrichs II. von England, starb auf dem Turnierfeld.
1186 Ein Bruder Richard Löwenherz' fand bei einem Turnier in Paris den Tod, als er vom Pferd fiel und von einem anderen Streitross niedergetrampelt wurde.
1194 Herzog Leopold V. von Österreich stürzte beim Turnier in Graz vom Pferd. Dabei wurde ihm von anderen Pferden das Bein zerquetscht. Obwohl man es amputierte, starb der Herzog wenig später an Wundbrand.
1195 Geoffroy de Magneville, Graf von Essex, wurde 1216 Opfer seiner Turnierleidenschaft
1196 Graf Florent vom Hennegau und Graf Philipp von Boulogne starben im Verlauf eines Turniers.
1234 Der Graf Florentius von Holland verlor sein Leben bei einem Turnier in Cambrai.
1240 Bei einem Turnier in Frankreich sollen zahlreiche Ritter aufgrund der Hitze und des Staubes auf dem Turnierplatz jämmerlich erstickt sein.
1241 Gilbert von Pembroke starb während eines Turniers
1241 Bei einem Pfingstturnier in Neuss erstickten 60 Ritter aufgrund der Hitze und des Staubes auf dem Turnierplatz. Einem anderen Bericht zufolge sollen sogar hundert Personen umgekommen sein. Eine dritte Chronik berichtet, die Ritter seien plötzlich "vom Wahnsinn erfasst" übereinander hergefallen und 80 Herren hätten ein schmähliches Ende gefunden. Offensichtlich wurden sie von den Pferdehufen zerstampft.
1242 Auf dem Turnierfeld musste Johann von Brandenburg sein Leben lassen.
1279 Herr Lantfried von Landsberg erstickte während eines Turniers in Straßburg.
1290 Auf dem Turnier, das anlässlich des Nürnberger Reichstages im November veranstaltet wurde, ereilte den Herzog Ludwig II. von (Ober-)Bayern der Tod. Der Nürnberger Chronist Meisterlin berichtet, die Fürsten des Reiches hätten sich "ritterlichs schimpfs und spiels mit stechen, turnieren und rennen gar herlich" hingegeben. Bei diesem Turnier hätten der Prinz von Bayern und Herr Albrecht von Hohenlohe gen. Schelingen beschlossen, "scharf zu rennen". Dem Prinzen von Bayern fuhr dabei die scharfe "gleve" des Gegners "kleglichen" in die Kehle. Zehn Tage nach dem Unfall erlag er seinen schweren Verletzungen.
1295 Herzog Johann I. von Brabant, der 1288 die wohl berühmteste Schlacht des 13. Jahrhunderts, die Schlacht von Worringen, gegen die deutschen Fürsten gewonnen hatte, kam bei einem Turnier in Bar-le-Duc auf unglückliche Weise zu Tode.
1296 William Montague wurde bei einem Turnier von seinem eigenen Vater getötet.
1297 Johann von Isenburg kam bei einem Turnier in Koblenz ums Leben.
1403 Bei einem Turnier in Darmstadt, das Graf Johann von Katzenelnbogen veranstaltete, kamen 17 fränkische und neun hessische Adlige zu Tode, als beide Parteien einen wirklichen Streit auf dem Turnierfeld austrugen.
1559 Eines der letzten Turnieropfer, der französische König Heinrich II., wurde am 30.6.1559 in Paris durch den Lanzenstoß des Hauptmannes Gabriel de Lorges, des späteren Grafen Montgomercy, tödlich verletzt. Beim Zerbrechen ihrer Lanzen drang nämlich ein scharfer Holzsplitter durch den schmalen Sehschlitz des Helmes ins Auge des Königs und von dort weiter ins Gehirn. Zehn Tage später starb er trotz aller Bemühungen seiner Ärzte, die sogar mehrere Gefangene hinrichten ließen, um nachvollziehen zu können, wie es im Kopf ihres königlichen Herrn aussah.
Turniergesellschaften
Im 14. Jahrhundert gelang es den in Städten lebenden Niederadligen und reichen Kaufleuten, über königliche Ritterhebungen in den Ritterstand aufzusteigen. Um sich gegen diese sozialen Aufsteiger (Briefadel) abzugrenzen und ihr traditionsreiches Rittertum zu bewahren, gründeten die Altadligen exklusive Turniergesellschaften.
Die Turniergesellschaften des 14. Jahrhunderts können wohl auf eine ältere Tradition zurückblicken, genauere Nachrichten über die Entstehungszeit liegen aber nicht vor. Die wohl berühmteste und sehr alte Turniergesellschaft, der "Sternerbund", wurde bereits 1265 in Basel gegründet. Andere Turniergesellschaften legten sich Namen wie vom Fisch, vom Falken, von der Krone, des Kreuzes, des Wolfes, des Esels und der Bären zu.
Laut ihren Satzungen durfte keiner Mitglied werden, der einen städtischen Beruf ausübte. Die Turniergesellschaften, die sich rege an politischen Diskussionen und militärischen Unternehmungen beteiligten, traten geschlossen als eigenständige Körperschaft bei Adelsturnieren an. Sie taten sich im Turnierwesen noch besonders dadurch hervor, dass sie eigene Kampfspiele veranstalteten, die den Tjosten der sagenhaften Artusritter nachempfunden waren.
Diese "Tafelrunde" genannten Waffenspiele, seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts belegt, unterschieden sich vom normalen Turnei dadurch, dass nicht in Scharen gekämpft wurde, sondern in einer Reihe von Einzelkämpfen mit stumpfer Lanze. Dabei übernahmen sie die Rollen der Ritter "der Tafelrunde" aus der Artus-Sage. Der bretonische Sagenkönig Artus von Cornwallis hatte im 6. Jahrhundert gelebt und wurde jetzt zum Idol des dem "alten" Rittertum verhafteten Adels.
Städtische und bäuerliche Turniere
Schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts begannen die Niederadligen in den größeren Städten, wie der alte Adel der Turnierleidenschaft zu frönen. Da sie auf den Turnieren des Altadels wenig gelitten waren und häufig die Zulassungsvoraussetzungen, Wappenschau und Ahnenprobe, nicht erfüllten, veranstalteten sie selbst Turniere. So fanden z.B. in Niederdeutschland städtische Kampfspiele statt, die stark an die Artusfeste der Turniergesellschaften erinnern. In diesen Kreis gehören beispielsweise auch die von den Magdeburger Stadtherren, den Konstablern, gegen Ende des 13. Jahrhunderts veranstalteten Gral-Kampfspiele, zu denen "alle Kaufleute, die Ritterschaft üben wollten", eingeladen waren. Der Ablauf der stadtbürgerlichen Turniere ähnelte denen des Land- und Hofadels.
Am ausgehenden Mittelalter versuchten offensichtlich sogar die Bauern, es den Herren gleichzutun. Auf einigen Handzeichnungen des 15. Jahrhunderts werden Bauern beim Turnierkampf dargestellt, die in unbeholfener Weise versuchen, zu stechen und zu turnieren. Die überzogene Darstellung deutet aber an, dass es sich bei diesen Bildern um bauernfeindliche Karikaturen handelt.
Text von Stefan Grathoff
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